Auf einer Planetenuhr kann man sehen, wo am Himmel die sieben klassischen „Planeten“ – Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn sowie Sonne und Mond – zu jedem Zeitpunkt stehen. Darüber hinaus bildet eine solche Uhr den Lauf der Planeten so ab, dass auch feine Ungleichförmigkeiten berücksichtigt werden. Dies wird erreicht durch ein raffiniertes Getriebe, das vom umfangreichen astronomischen Wissen der an Bau der Uhr Beteiligten zeugt.
Angesichts dieser Komplexität trifft die Dresdener Ausstellung eine gezielte Auswahl an Themen, um astronomische und technische Aspekte der Dresdener Planetenuhr zu vermitteln und ihre kulturgeschichtliche Bedeutung verständlich zu schildern. Animationsfilme und Modelle zum Anfassen werden extra für die Ausstellung entwickelt. Mit diesen können sich neugierige Besucher*innen ohne spezielles Vorwissen der Uhr in fünf Kapiteln schrittweise nähern. Sie lernen dabei einige der Herausforderungen kennen, welche die Konstrukteure der Uhr meistern mussten und bekommen vor Augen geführt, wie wichtig das Wissen um die Planeten für Herrscher wie August von Sachsen war.
Die monumentale Planetenuhr gehört zu den mechanisch aufwendigsten und künstlerisch herausragenden Uhren der Frühen Neuzeit. Sie entstand im Auftrag des Kurfürsten August von Sachsen (reg. 1553 – 1586) am Hof seines Schwagers, des hessischen Landgrafen Wilhelm IV., und folgte einer ersten, für Wilhelm selbst gebauten Uhr, die sich noch heute in Kassel befindet. Die komplexe Mechanik beider Uhren wurde unter direkter Beteiligung des hessischen Landgrafen berechnet und unter der Leitung seines Konstrukteurs Eberhard Baldewein realisiert.
Noch bevor die Uhr überhaupt fertiggestellt war, wurde im Ausland bereits erzählt, dass sie „schöner, größer und kunstreicher“ als ihr berühmtes Kassler Vorbild sei. Weder ein Ausbruch der Pest in Hessen noch wiederholte technische Schwierigkeiten und Kostensteigerungen bremsten Augusts Verlangen, dieses Wunderwerk zu besitzen. Als die Uhr nach fünf langen Jahren des Wartens in Dresden präsentiert wurde, war der sächsische Kurfürst über ihre vielfältigen Anzeigen „nicht wenig erlüstigt und ergölzet“, wie es in einem Augenzeugenbericht heißt. Mechanische Wunderwerke wie die Planetenuhr waren markante Herrschaftssymbole. Sie sollten einem Besucher des Hofes vor Augen führen, dass der Kurfürst sogar die komplizierten Bewegungen der Planeten am Himmel mit Hilfe eines Automaten beherrschbar machen konnte.
Die Planetenuhr zeigt nach dem geozentrischen Weltbild den Lauf der sieben, mit bloßem Auge am Himmel sichtbaren „Planeten“ – Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn sowie der Sonne und des Mondes – an. Wo sich ein jeder dieser Himmelskörper, von der Erde aus gesehen, gerade im Tierkreis befindet, kann auf den vier Schauseiten der Uhr abgelesen werden. Für jeden einzelnen gibt es eine Anzeige.
Das im Inneren verborgene Uhrwerk treibt die Zeiger der Anzeigen nach den jeweils eigenen Geschwindigkeiten der Planeten an (von einer Umdrehung im Monat im Fall des Mondes bis zu einer nur ungefähr alle 30 Jahre im Fall des Saturns). Auch die gelegentlichen Intervalle der von der Erde aus gesehenen „retrograden“ oder Rückwärtsbewegung der Planeten werden angezeigt. Der wundersame Lauf der Planeten wird damit in Echtzeit erfasst.
Bekrönt wird die Planetenuhr von einem silbernen Himmelsglobus. Wäre die Uhr aufgezogen, drehte sich der Globus binnen eines Tages einmal. Auf ihm haben die Sterne alle ihren festen Platz, man kann die Sternbilder erkennen. Die Positionen der Sterne auf diesem Globus wurden nach den eigenhändigen, höchst präzisen Himmelsbeobachtungen von Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel und seinen Astronomen eingraviert.
Das 16. Jahrhundert ist eine Epoche, in der das tradierte astronomische Wissen nicht mehr nur rezipiert, sondern zunehmend kritisiert und durch zeitgenössische Forschungen neu bewertet wurde. Dies zeigt sich nicht nur im astronomischen Schriftenkorpus, sondern auch in den berühmtesten mechanischen Nachbildungen des Himmels, die die Renaissance hervorbrachte: den uhrwerksgetriebenen Planetarien oder „Planetenuhren“.
Im Zentrum eines von der Museum & Research Foundation GmbH 2014/2015 geförderten Forschungsprojekts „Deus ex Machina“ standen die beiden Planetenuhren, die Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel, selbst einer der renommiertesten praktizierenden Astronomen des 16. Jahrhunderts, in den 1560er Jahren herstellen ließ: sein eigenes Exemplar, heute im Astronomisch-Physikalischen Kabinett in Kassel, und die von seinem Schwager Kurfürst August von Sachsen bestellte Uhr, heute im Mathematisch-Physikalischen Salon (MPS) in Dresden. Neben diesen beiden sind nur noch zwei weitere Planetenuhren aus dem 16. Jahrhundert erhalten: die sogenannte Fine-Uhr, heute in der Bibliothèque Saint Geneviève in Paris, und die Imser-Uhr, heute im Technischen Museum in Wien. Diese, von den Zeitgenossen vielfach bestaunten Wunder der Uhrmacherkunst zeigen in Echtzeit an, wo sich die sieben klassischen „Planeten“ – Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn sowie Sonne und Mond – von der Erde aus gesehen am Himmel befinden und bilden den ungleichförmigen Lauf der sieben Wandelsterne nach.
Eine Untersuchung dieser vier Uhren sowie die Studie zugehöriger Handschriften haben nun aufgezeigt, dass sie fertigungstechnisch und in ihren theoretischen Ansprüchen markante Unterschiede aufweisen. Vor allem über den Herstellungsprozess der Kasseler und der Dresdener Uhr liegen bedeutende neue Erkenntnisse vor. Zudem zeichnet sich ab, dass in diesen beiden Uhren nicht nur aus der Antike und aus dem islamischen Mittelalter tradierte astronomische Parameter materialisiert worden sind, sondern auch eigene Messungen von Landgraf Wilhelm IV. selbst und seinen Hofastronomen. Möglicherweise lassen die Feinheiten des Getriebes sogar die Geburtsstunde einer neuen astronomischen Theorie erkennen.
Um diese wissenschaftshistorisch neuen Erkenntnisse einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen, sollen die vier Uhren 2020 in einer großen Sonderausstellung erstmals in direkte Beziehung gesetzt werden. Ziel ist zu vermitteln, was diese großartigen technologischen Artefakte ihren damaligen Besitzern angezeigt haben, welche technischen Leistungen erforderlich waren, um die beobachteten Unregelmäßigkeiten der Planetenbewegung mechanisch nachzustellen, welche Bedeutung diese Uhren im großen Kontext der Geschichte des Wissens gehabt haben und welche spezifische Rolle sie in einem höfischen Zusammenhang als Symbole und Werkzeuge des Wissens und der fürstlichen Legitimation spielten.
Die Vermittlung dieser Themen kann nur mit gut durchdachten Konzepten gelingen, und genau diese Vermittlungsstrategie wird in der aktuellen Sonderausstellung „Der Planeten wundersamer Lauf“ erarbeitet und evaluiert. Mit Unterstützung der Museumslandschaft Hessen Kassel wird die Ausstellung ab August 2017 in verwandter Form um die Kasseler Uhr gezeigt. Ziel dieser beiden Ausstellungen ist, die Erfahrungen der Besucher mit filmischen und haptischen Medien zu evaluieren, um eine fundierte Basis für die Vermittlung aller vier Planetenuhren, wahrlich Objekte des europäischen Kulturerbes, in der später geplanten internationalen Ausstellung zu schaffen.